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Fix the Institution, not the Excluded! Wie lassen sich Diversitätspolitiken und Antidiskriminierungsarbeit an Universitäten diskriminierungskritisch, kollaborativ und wissensbasiert gestalten?

Dr. Aline Oloff

Dr. Aline Oloff
Bildquelle: AO

Leitung: Dr. Aline Oloff, Technische Universität Berlin

In der Novelle des Berliner Hochschulgesetzes (BerlHG) im Jahr 2021 hat der Gesetzgeber deutliche Vorgaben für den Abbau von Diskriminierung an den Berliner Hochschulen gemacht und den bereits mit dem Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG) bestehenden Handlungsauftrag verstärkt. Spätestens jetzt sind Universitäten und Hochschulen für anwendungsbezogene Wissenschaften explizit aufgefordert, »die diskriminierungsfreie Teilhabe aller aktiv zu unterstützen und zudem bestehende Barrieren zu identifizieren und abzubauen«. Die Berliner Hochschulen werden verpflichtet, ein Konzept für Antidiskriminierung und Diversität zu entwickeln, die Ursachen für Benachteiligungen zu ermitteln sowie Maßnahmen zum Abbau von individuellen wie strukturellen Barrieren zu entwerfen und umzusetzen. Weiterhin ist die Einrichtung einer Beratungs- und Beschwerdestelle sowie die Bestellung von Beauftragten für Diversität und Antidiskriminierung vorgesehen. Die Arbeit der Nachwuchsforschungsgruppe steht im Kontext dieser Entwicklung. Einsatzpunkt des Projektes ist die Dimension der Diskriminierungskritik, die normativ als Grundlage von Diversitätspolitiken und Antidiskriminierungsarbeit verstanden wird. Es wird der Frage nachgegangen, wie Diskriminierungserfahrungen und daran anknüpfendes Wissen und Handlungsfähigkeit, aber auch marginalisierte Perspektiven, Wissensbestände und Stimmen zu Ausgangspunkten für die Veränderung von Universitäten hin zu inklusiven und demokratischen Orten von Bildung und Wissenschaft werden können. Überzeugung ist, dass es einer grundlegenden kulturellen wie strukturellen Veränderung der Institution bedarf und es dabei keine schnellen und kostenfreien Lösungen – keinen quick fix at no charge – geben wird. Konkret trägt die Arbeit der Nachwuchsgruppe in zweierlei Hinsicht zum Aufbau der neuen Antidiskriminierungsstrukturen bei: zum einen werden im Rahmen des Projektes verschiedene zivilgesellschaftliche Akteure in der Antidiskriminierungsarbeit zusammengebracht und die Voraussetzungen und Bedingungen für langfristige Formen der Zusammenarbeit im Kontext der hochschulischen Antidiskriminierungsarbeit ausgelotet. Dabei geht es darum, bislang fehlende Perspektiven und Expertise dauerhaft und nachhaltig an die Hochschulen zu holen. Zum anderen werden forschungsbasierte Konzepte für den Aufbau nachhaltiger Antidiskriminierungsstrukturen und -prozesse an Hochschulen entwickelt. Im Fokus stehen dabei Fragen des Monitorings (1) sowie die Antidiskriminierungsberatung (2).

 (1)    Diversität und Diskriminierung ›messen‹? Schritte zu einem differenzierten Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsmonitoring

 Aussagekräftige Daten gelten als eine notwendige Voraussetzung für Antidiskriminierungsarbeit, sie dienen dem Sichtbarmachen von Repräsentationslücken (im Bereich der Gleichstellungsarbeit ist das Argumentieren mit Frauenanteilen etabliert) und dem Verständnis von Diskriminierungsmechanismen. Allerdings wie genau und welche Gleichstellungsdaten zu welchem Zweck erhoben und ermittelt werden können und sollten und wie von Einzelerhebungen zu einem systematischen Monitoring übergegangen werden kann, ist im Feld der universitären Antidiskriminierungsarbeit ein laufender Diskussions- und Erprobungsprozess. Ziel des Vorhabens ist, die Expertise, die im Feld der zivilgesellschaftlichen Antidiskriminierungsarbeit, insbesondere im Bereich von antirassistischem Aktivismus, in der Frage der Erfassung von Diskriminierung und der Erhebung von Gleichstellungsdaten vorhanden ist, zum Ausgangspunkt für die Erarbeitung von Eckpunkten für den Aufbau eines systematischen Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsmonitoring zu machen. Dabei liegt die Überzeugung zugrunde, dass bereits ausreichend Erkenntnisse über diskriminierungsbelastete Orte und Prozesse an Universitäten vorliegen und genug Wissen über Diskriminierung an Hochschulen besteht. Weitere gesonderte und einmalige Studierenden- und/oder Beschäftigtenbefragungen zu Diversität und Diskriminierungserfahrungen erscheinen aus diesem Grund wenig sinnvoll. Worum es zum gegenwärtigen Zeitpunkt gehen muss, ist der Aufbau eines systematischen Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsmonitorings, dass dauerhaft und regelmäßig Erkenntnisse über Diskriminierungsmechanismen in universitären Prozessen liefert. Zu diskutieren ist dabei, ob die Darstellung des Diversitätsdefizits zwangsläufig über Zahlen zu Personengruppen erfolgen muss und welche Arten von Daten ggf. dafür zu Grunde gelegt werden (können).

Wie kann ein systematisches Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsmonitoring aussehen? Welche Arten von Daten werden gebraucht (Selbstidentifikationsdaten, Diskriminierungsdaten)? Wie können welche Daten sinnvoll erhoben werden? Welche institutionellen Voraussetzungen (Personal, Ausstattung, Wissen) müssen gegeben sein? Und vor allem: In welche bestehenden QM-Instrumente können Erhebungen integriert werden? Wo braucht es weitere, neue Instrumente? Wie können diese aussehen?

 (2)    Diskriminierungserfahrungen erfassen, Exklusionsmomente erkennen, Diskriminierungsmechanismen verstehen – die Rolle von Antidiskriminierungsberatung

 Die Bedeutung von Antidiskriminierungsberatung liegt auf zwei Ebenen: zum einen auf der Ebene der Unterstützung und des Empowerments von Betroffenen, zum anderen auf der Ebene des Wissens über Exklusionsmomente und Diskriminierungsmechanismen. Im Projekt steht die Ebene des Wissens im Mittelpunkt und wird die Beratungspraxis als wertvolle Quelle für Diskriminierungsdaten fokussiert. Ziel des Vorhabens ist, eine Bestandsaufnahme der bestehenden Beratungsstrukturen an den BUA-Einrichtungen zu erarbeiten, um auf dieser Grundlage zum einen der Frage der Sicherung von Diskriminierungsdaten aus der Beratungspraxis nachzugehen. Wie wird Wissen über Diskriminierung aus der Beratungspraxis bisher gesichert und genutzt? Was braucht es, damit dieses Wissen gesichert und in die Entwicklung effektiver Maßnahmen gegen Diskriminierung übersetzt wird? Angestrebt wird die kollaborative Entwicklung einer systematischen Dokumentation von Beratungsfällen und Formen des regelmäßigen Austausches und der Übersetzung der Daten in Handlungsbedarfe. Zum anderen wird die Bestandsaufnahme Grundlage für die Erarbeitung von Eckpunkten für den Aufbau einer umfassenden und gleichwohl spezialisierten Antidiskriminierungsberatung im Sinne des §5b BerlHG (Beratungs- und Beschwerdestelle) sein. Was leisten die bestehenden Beratungsstrukturen? Welche Diskriminierungsdimensionen werden adressiert, welche nicht? Was braucht eine spezialisierte Antidiskriminierungsberatung, die auf beiden Ebenen – Empowerment wie Wissens-Archiv und Diskriminierungsdaten – nachhaltig arbeitet (Personal, Ausstattung, Wissen)? Wichtig dabei: Wie kann aus Beratungswissen Empowerment-Wissen werden? Und schließlich: Wie sollte Rassismus als ein bislang im universitären Beratungskontext nicht explizit benanntes Diskriminierungssystem in der Antidiskriminierungsberatung abgebildet werden?


Bio

Dr. Aline Oloff hat Gender Studies und Romanistik in Berlin und Paris studiert und wurde im Jahr 2016 mit einer Arbeit über die weiße Frauenbewegung im postkolonialen Frankreich promoviert. Mit ihrer wissenschaftlichen Arbeit bewegt sie sich an der Schnittstelle von Diversitätsforschung, Wissenschafts- und Hochschulforschung sowie Forschung zu Gleichstellungs- und Antidiskriminierungspolitiken und hochschulischer Antidiskriminierungsarbeit.

Kontakt: aline.oloff@tu-berlin.de