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Decolonizing the Curriculum

Decolonizing the Curriuculum

Decolonizing the Curriuculum
Bildquelle: Quelle: Adobe Stock

Das BUA-Cross Cutting Theme 6 „Diversity & Gender Equality“ hat eine Arbeitsgruppe zum Thema „Decolonizing the Curriculum“ gegründet. Das Ziel ist, gemeinsam mit allen Interessierten aus Lehre, Forschung, Praxis und Verwaltung darüber nachzudenken und zu erarbeiten, wie Lehrveranstaltungen in den vier Häusern dekolonisiert werden können. Dabei streben wir eine enge Abstimmung und Zusammenarbeit mit dem CCT7 „Teaching and Learning“ und CCT8 „Internationalization“ an, um den anstehenden Prozess gemeinsam umzusetzen.

Kick-off Workshop „Decolonizing the Curriculum”, 26. April 2024

Am 26. April 2024 fand im Lichthof der Humboldt-Universität das Kick-Off Event der Workshopreihe „Decolonizing the Curriculum“ statt, organisiert durch eine aus dem CCT6 „Diversity & Gender Equality“ hervorgegangene Arbeitsgruppe. Ziel des Workshops war es, gemeinsam mit allen Interessierten aus Lehre, Forschung, Praxis und Verwaltung darüber nachzudenken und zu erarbeiten, wie Ansätze zur Dekolonisierung von Lehrplänen aussehen könnten. Moderiert wurde er von Felicia Boma Lazaridou, Doktorandin im Bereich transkulturelle Psychiatrie an der Charité.

Der Workshop wurde mit einem Grußwort von Prof. Dr. Susanne Michl, Prodekanin für Studium und Lehre an der Charité, Professorin für Medizinethik und Medical Humanities und Mitglied im Steering Committee 7 „Teaching and Learning“, eröffnet. In ihrem Grußwort betonte Michl den Nachhall der Vergangenheit in der Gegenwart. Dieser Verschränkung gelte es sich bewusst zu werden, um die Vergangenheit aufzuarbeiten. Michl nannte Beispiele wie die medizinhistorische Sammlung der Charité, die eng mit der Geschichte des deutschen Kolonialismus sowie mit dem Nationalsozialismus verknüpft ist. Diese Geschichte explizit zu machen und sich aktiv mit ihr auseinanderzusetzen sei notwendig, um mit Kontinuitäten zu brechen.

Die Keynote mit dem Titel „Decolonizing the Curriculum: A Chance for a broadened adademic horizon” hielt Kamady Fofana, Gymnasiallehrer und Antirassismus-Coach, der im Rahmen einer Machbarkeitsstudie analysiert hat, wie rassismuskritische Module in die Lehrkräftebildung an Berliner Hochschulen integriert werden können. Fofana verwies auf eine „koloniale Amnesie“ und mangelndes Wissen über die deutsche Kolonialgeschichte als Grundprobleme, die unter anderem auf die Schulbildung zurückzuführen seien. Nicht nur würde die Kolonialgeschichte unkritisch behandelt, sondern stereotypische und rassistische Darstellungen sowie diskriminierende Sprache in Lehrmaterialien trügen auch dazu bei, koloniale Denkmuster zu reproduzieren. Er plädierte für eine kritische Auseinandersetzung mit diesem Thema, in welche Stimmen aus dem „Globalen Süden“ einbezogen werden sollten. In der anschließenden Fragerunde wurde unter anderem über den Unterschied zwischen Dekolonisierung und Diversifizierung des Curriculums diskutiert.

Nach einer kurzen Pause teilten sich die ca. fünfzig Teilnehmenden in zwei Sektionen ein, um die unterschiedlichen Bedarfe in den Bereichen Geistes- und Sozialwissenschaften einerseits, sowie in den Bio- und Lebenswissenschaften und MINT andererseits zu diskutieren. Das Ziel war es, zudem auch „Best-Practice“-Beispiele zusammenzutragen und sich über mögliche Wege zur Umsetzung und institutionelle Hürden auszutauschen. Die lebenswissenschaftliche Session wurde moderiert von Prof. Dr. Gertraud (Turu) Stadler, Leiterin des Instituts für Geschlechterforschung in der Medizin der Charité und Sprecherin des Steering Committee „Diversity & Gender Equality“ der BUA. Die Session zu Geistes- und Sozialwissenschaften moderierten Dr. Charlotte Piepenbrock, Koordinatorin des CCT „Diversity & Gender Equality“ der BUA und Dr. Sarah Wessel, Referentin des Berlin Center for Global Engagement (BCGE) der BUA.

Die Teilnehmenden der Session zu Geistes- und Sozialwissenschaften deckten ein breites Spektrum an Fachbereichen ab und brachten viel theoretisches und praktisches Wissen in die Diskussion ein. Es wurden drei Handlungsebenen für die Forderung nach Dekolonisierung der Lehre ausgemacht: die Strukturen, die der Lehrpläneentwicklung zugrunde liegen; die Themen, die in der Lehre behandelt werden; und die Interaktion in den Seminarräumen. Auf struktureller Ebene, so war man sich einig, würden für eine ernsthafte Umsetzung des Vorhabens zusätzliches Geld und Ressourcen nötig sein. Generell bräuchte es eine stärkere Sensibilisierung für das Thema und eine selbstkritische, reflektierte Herangehensweise aller Beteiligten. Anhand einer Reihe guter Beispiele zeigte sich, dass es bereits erfolgreiche Initiativen gibt, an die angeknüpft werden kann. Von einem verpflichtenden Antirassismus-Workshop für Lehrende über eine Lunch Talk-Serie zu der Frage wie Curricula neu ausgerichtet werden könnten bis hin zur kritischen Gegenüberstellung „westlicher“ und „nicht-westlicher“ Texte und der Zusammenarbeit mit Bibliotheken, reichten die bereits erprobten Maßnahmen. Zudem gibt es bereits Expert*innennetzwerke innerhalb und außerhalb der Universitäten, die sich kritisch mit dem Thema auseinandersetzen.

Insgesamt zeigte sich noch großer Handlungsbedarf auf der Ebene methodologischer Fragen, dem Empowerment marginalisierter Gruppen, und der Verfügbarkeit kritischer Literatur zum Thema. Es wurden verhärtete Machtstrukturen innerhalb der Universitäten als ein Hindernis benannt, kritische Perspektiven präsenter zu machen und Menschen aus marginalisierten Gruppen eine Stimme zu geben. Dekolonisierung auch als Beziehungspraxis zu verstehen, neben den Aspekten von Anerkennung und Redistribution, war ein Diskussionspunkt, der verdeutlicht, dass es sich um ein vielschichtiges Vorhaben mit ganz unterschiedlichen Anknüpfungspunkten handelt und jede*r aktiv werden kann.

Die Session der Bio- und Lebenswissenschaften und MINT stellte zunächst die Notwendigkeit konkreter Maßnahmen und institutioneller Unterstützung fest. Ein wichtiger Schritt ist dabei, u.a. international verfügbare Ressourcen wie das Handbuch „Mind the Gap“ für die Nutzung in Berlin zu übersetzen. Ganzheitliche Lernkonzepte in den verschiedenen Studiengängen und für Ausbildungen wurden besprochen, die kulturelle Kompetenz fördern können. Die Berlin University Alliance könnte dabei als Schlüsselakteurin für die Sammlung und Verteilung von Ressourcen fungieren. Ein weiterer Vorschlag war die Einführung eines Peer-Mentoring-Programms, um den Zugang zu vorhandenen Ressourcen der Universitäten zu erleichtern. Wissenschaftliche Konzepte wie das Diversity Minimal Item Toolset und problemorientiertes Lernen in Unterrichtsformaten wurden als vielversprechende Ansätze zur Bereicherung der formalisierten Lehre hervorgehoben.

Die Teilnehmenden der Session betonten, dass neben der inhaltlichen Diversifizierung und über Literatur hinaus den Perspektiven aus dem „Globalen Süden“ Raum gegeben werden muss. Die Zusammenarbeit zwischen Berlin und Akteur*innen vor Ort, zum Beispiel im Rahmen von kulturellen Austausch- und Praktikumsprogrammen, ist elementar und sollte auf Gegenseitigkeit gründen. Schulungen zur kulturellen Sensibilität bilden dafür eine wichtige Voraussetzung. Initiativen zur Sprachmittlung sowie themenspezifische Schulungen (z.B. zu einem diversitätssensiblen Umgang mit KI) könnten den Zugang und die Vertretung in Bildungs- und Forschungsbestrebungen gleichberechtigt ermöglichen. Strukturelle Hilfe könnte beispielsweise durch ein Welcome Center geleistet werden. „Wir hatten einen sehr regen Austausch. Dabei haben wir viele fachspezifische Ideen und interdisziplinäre Konzepte gesammelt. Nun müssen wir herausfinden, wie wir die Vorschläge in den Häusern der Berlin University Alliance gemeinsam umsetzen können.“ kommentiert Prof. Dr. Turu Stadler das Ergebnis der Session.

Im abschließenden Plenum stellten die Gruppen ihre Ergebnisse vor. Die Teilnehmenden befanden, dass ein ganzheitlicher Ansatz notwendig sei, um strukturelle Veränderungen anzustoßen. Im weiteren Verlauf sollte der Veränderungsprozess fortwährend evaluiert und weitere Akteur*innen einbezogen werden. Vielfalt sollte anerkannt werden und den Lehrenden sollten Instrumente an die Hand gegeben werden, um Empathie und kulturelle Kompetenz sowie lebenslanges Lernen zu fördern. Der Workshop endete mit einer Vorausschau auf die Folgeveranstaltungen und dem Appell, weitere Interessierte in den Prozess einzuladen.

Wir danken der Arbeitsgruppe „Decolonizing the Curriculum“: Prof. Dr. Gertraud (Turu) Stadler, Dr. Charlotte Piepenbrock, Felicia Boma Lazaridou, Jonathan Martin Gavrysh, Anna Sierawska, Julius Göbel, Alma Capatti, Suraj Ghag, Aafreen Saiyed