Frau Wolf, Herr Nagel, auf dem Kampagnenmotiv von MATH+ sitzt auf der historischen Ampel am Potsdamer Platz ein Mathe-Agent und muss sich zwischen verschiedenen Verkehrsmitteln entscheiden. Warum eigentlich keine Agentin?
Sarah Wolf: Für mich ist Agent ein neutrales Wort, so wie Tisch. Denn unsere Agenten sind mathematische Elemente beziehungsweise Objekte im Computer. Sie können ganz unterschiedliche Rollen einnehmen.
Kai Nagel: In der mathematischen Sprache ist Agent die Beschreibung einer handelnden Person, die einen inneren Zustand besitzt und bestimmten Verhaltensregeln folgt. Mit einer Vielzahl solcher Agenten können wir letztlich im Computer eine Gesellschaft simulieren, innerhalb bestimmter Grenzen natürlich.
Welche Eigenschaften kann so ein Agent haben?
Wolf: Ein Kollege erklärt das Schulklassen immer so: Die Schuhgröße und der Lieblingsfilm sind nicht wichtig, wenn es um Mobilität geht, aber Alter, Einkommen, Wohn- und Arbeitsort, Gesundheit und sogar politische Einstellungen.
Sie arbeiten auch mit Schulklassen?
Wolf: Ja, bei uns sind die Agentensimulationen mit einem Element der Bürger*innenbeteiligung verknüpft, beispielweise für Schulen. Der Fachausdruck dafür ist Transdisziplinarität, aber das Schlagwort „offenes Wissenslabor“ der BUA-Kampagne wäre auch sehr treffend.
Nagel: Wir veranstalten Workshops, in denen die Menschen politische oder administrative Entscheidungen selbst treffen und sich sofort danach durch unsere Simulationen die Auswirkungen dieser Entscheidungen anschauen können. Unser Thema ist dabei die Verkehrsplanung.
Ziel dieser Workshops kann es sein, Ideen zu bekommen, etwa für neue Maßnahmen. Ein anderes Ziel kann sein, den wirklichen politischen Entscheidungsträger*innen Pakete von Maßnahmen an die Hand zu geben, die eine große Mehrheit an Personen in unseren Workshops befürwortet haben.