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Enzyme für die Energiewende


Ein natürliches Molekül könnte helfen, Wasserstoff als saubere Energiequelle nutzbar zu machen und nützliche Chemikalien herzustellen.

Sie kann Strom aus Wasserstoff erzeugen und Strom als Wasserstoff speichern – und ist damit ein spannendes Forschungsobjekt für nachhaltige Energietechnologien. Die Rede ist von der Hydrogenase, einem Enzym, das in Bakterien und anderen Mikroorganismen vorkommt. Mit ihr können Brennstoffzellen entwickelt werden, die nach biologischen Prinzipien funktionieren.

Der Exzellenzcluster Unifying Systems in Catalysis (UniSysCat) will dem Geheimnis der Hydrogenase auf die Spur kommen. Mit Röntgenkristallographie, Elektronenmikroskopie und spektroskopischen wie auch kristallographischen Daten, die in einem Zeitabstand von nur einem Millionstel einer Milliardstel Sekunde aufgenommen werden, setzen Forschende dafür modernste Methoden ein.

In diesem Interview geben der Biophysiker Dr. Marius Horch (FU Berlin), der Molekularbiologe Dr. Oliver Lenz (TU Berlin), die Biophysikerin Prof. Dr. Maria-Andrea Mroginski (TU Berlin) und die Biochemikerin Dr. Andrea Schmidt (Charité Berlin) Einblicke in ihre interdisziplinäre Zusammenarbeit und erklären, wie ihre Grundlagenforschung Chemiker*innen neue Möglichkeiten eröffnet.

Dabei zeigt sich: Spitzenforschung erfordert nicht nur Expertise, sondern auch eine Portion Teamspirit – und die gibt es im OFFENEN WISSENSLABOR im Überfluss.

Voller Energie über dem Tempelhofer Feld: Ein Hydrogenase-Molekül kann Strom, also Elektronen, sowohl aus Wasserstoff erzeugen wie auch in Form von Wasserstoff speichern.

Voller Energie über dem Tempelhofer Feld: Ein Hydrogenase-Molekül kann Strom, also Elektronen, sowohl aus Wasserstoff erzeugen wie auch in Form von Wasserstoff speichern.

Sie sind gleich zu viert zum Interview erschienen. Warum war es Ihnen so wichtig, dass alle Beteiligten dabei sind?

Maria-Andrea Mroginski: Jede und jeder von uns bringt ihre und seine speziellen Fähigkeiten und Erfahrungen in das Projekt ein. Wir sind jeweils hochspezialisiert, nur so ist Spitzenforschung heute überhaupt möglich.

Marius Horch: Nur als Team können wir also Ihre Fragen wirklich genau beantworten.

Andrea Schmidt: Ich hätte aber auch generell ein ungutes Gefühl, wenn eine oder einer von uns beim Interview nicht mit dabei wäre. Es geht dabei sozusagen auch um den Teamspirit.

Oliver Lenz: Das stimmt. Wir kommen ja aus drei unterschiedlichen Institutionen, sind aber alle Mitglieder des Berliner Exzellenzclusters UniSysCat. Im Prinzip stehen wir hier für den Geist der Berlin University Alliance: Enge Forschungsallianzen, bei denen die Zugehörigkeit zu einer Einrichtung nicht mehr im Vordergrund steht …

Horch: … sondern die bestmögliche, effektivste Zusammenarbeit in einem „offenen Wissenslabor“. Wir brauchen diese Effizienz und Interdisziplinarität, weil die Probleme, mit denen wir zu tun haben, extrem komplex sind.

Komplex sieht Ihr Forschungsgegenstand tatsächlich aus, der auf dem BUA-Kampagnenmotiv über dem Tempelhofer Feld in Berlin schwebt.

Schmidt: Dabei handelt es sich um eine Hydrogenase, das ist ein Riesen-Molekül mit etwa 5.000 Atomen. Hydrogenasen sind Enzyme, also Biokatalysatoren, die in Organismen chemische Reaktionen ermöglichen, die sonst nicht oder nur sehr, sehr langsam stattfinden könnten. Wie alle Katalysatoren bleiben die Hydrogenasen selbst dabei unverändert.

Justierung eines Laboraufbaus für spektroskopische Untersuchungen mit Lasern © U. Dahl, TUB

Justierung eines Laboraufbaus für spektroskopische Untersuchungen mit Lasern © U. Dahl, TUB

Mroginski: Unsere Hydrogenase hat die spezielle Fähigkeit, dass sie ein Wasserstoff-Molekül aufspalten kann. Normalerweise kommt Wasserstoff immer als Molekül aus zwei Atomen vor. Die Hydrogenase kann deren Verbindung nun auftrennen, wobei zwei einzelne, positiv geladene Wasserstoff-Atome und zwei Elektronen entstehen. Die Hydrogenase kann aber auch die umgekehrte Reaktion ermöglichen, also aus diesen Teilchen wieder ein Wasserstoff-Molekül zusammenbauen.

Lenz: Auf diese Weise hilft die Hydrogenase zum Beispiel manchen Darmbakterien, die bei den chemischen Reaktionen während unserer Verdauung entstehenden, überschüssigen Elektronen loszuwerden. Sie werden von der Hydrogenase zur Bildung von Wasserstoff-Molekülen genutzt. Mit einem Anteil von 20 Prozent ist Wasserstoff hauptverantwortlich dafür, dass unsere Darmgase brennbar sind.

Die Hydrogenase besteht aus 5.000 Atomen. Das müssen ja extrem komplexe Vorgänge sein, die da bei der Spaltung beziehungsweise Bildung von Wasserstoff ablaufen.

Schmidt: Ja, man kann sich die Hydrogenase durchaus wie eine kleine Fabrik vorstellen. Der eigentliche Kern, wo die Spaltung der Wasserstoff-Moleküle stattfindet, liegt tief im Inneren. Das dient dazu, die Reaktion vor aggressivem Sauerstoff zu schützen, der in vielen Organismen vorhanden ist. Es gibt auch kleine Kanäle in dem Molekül, durch die der Wasserstoff an seinen Reaktionsort gelangen kann beziehungsweise von dort fortgeleitet wird.

Was ist nun so spannend an der Hydrogenase? Könnte man sie für die Energiewende nutzen? Immerhin ist Wasserstoff ja ein Energiespeicher.

Lenz: Tatsächlich hat die Hydrogenase mit Energie zu tun, denn sie kann Strom, also Elektronen, sowohl aus Wasserstoff erzeugen wie auch in Form von Wasserstoff speichern. Mit ihr könnte man eine Art biochemischer Brennstoffzelle bauen. Wir selbst arbeiten hauptsächlich in der Grundlagenforschung, um die komplexen Funktionen der Hydrogenase zu entschlüsseln. Diese Erkenntnisse könnten dann von Chemikern genutzt werden, um einfachere Moleküle mit gleicher Funktion herzustellen.

Versuchsaufbau für ultraschnelle Röntgenuntersuchungen zur Bestimmung der Struktur von Proteinkristallen © A. Schmidt, UniSysCat

Versuchsaufbau für ultraschnelle Röntgenuntersuchungen zur Bestimmung der Struktur von Proteinkristallen © A. Schmidt, UniSysCat

Mroginski: Ein großes Ziel vieler Forscher*innen auf der ganzen Welt ist es, das Treibhausgas Kohlendioxid aus der Luft oder aus Abgasen in nützliche Kohlenwasserstoffe für die chemische und pharmazeutische Industrie umzuwandeln. Für diese Umwandlung des CO2 in Kohlenwasserstoffe braucht man Wasserstoff, der im Idealfall aus Wasser mit Hilfe von grünem Strom zum Beispiel aus Windkraft hergestellt wird. Die Hydrogenase beziehungsweise eben synthetische Moleküle mit ähnlicher Funktion könnten bei diesen Umwandlungsreaktionen eine entscheidende Rolle spielen und somit die Energiewende voranbringen. Gerade die Toleranz gegenüber Sauerstoff ist ein Vorteil unserer Hydrogenase, denn dann muss ich in biotechnologischen Verfahren nicht aufwändig dafür sorgen, dass die Reaktionen unter Sauerstoffabschluss stattfinden.

Wie weit sind Sie denn schon bei der Entschlüsselung der Funktionen der Hydrogenase?

Horch: Nun, wir wissen schon, dass sich Eisen- und Nickel-Atome im Reaktionszentrum der Hydrogenase befinden. Wie beim Katalysator im Auto sind es also auch hier Metalle, die die Reaktion ermöglichen. Wir wissen auch schon, dass die Hydrogenase die Metallatome in eine bestimmte Stellung zueinander bringt, die die Reaktion begünstigt. Wie das Ganze aber genau abläuft, welche elektronischen Strukturen der Atome wie beteiligt sind, das ist unklar. Übrigens auch, welche Rolle die hochgiftigen Stoffe Kohlenmonoxid und Cyanid spielen, die in der Hydrogenase eingebaut sind. Sie müssen eine entscheidende Bedeutung haben, sonst würde ein Organismus nicht das Risiko eingehen, sie zu produzieren.

Sie haben eingangs gesagt, dass Sie alle Spezialist*innen sind. Wer von Ihnen untersucht denn nun was an der Hydrogenase – und womit?

Schmidt: Ich charakterisiere den genauen atomaren Aufbau der Hydrogenase. Zum einen mit Röntgenstrahlen, die wir durch Proben schicken. Außerdem nutze ich Elektronenmikroskope, mit denen wir tiefgefrorene Proben durchleuchten. Den Ablauf von Reaktionen können wir beobachten, in dem wir mit unseren Methoden schnell hintereinander quasi Fotos aufnehmen. Das ist mittlerweile möglich in einem Zeitabstand von nur einem Millionstel einer Milliardstel Sekunde.

Ernte/Anzucht von Proteinkristallen unter Sauerstoffausschluss © J. Klyne, UniSysCat

Ernte/Anzucht von Proteinkristallen unter Sauerstoffausschluss © J. Klyne, UniSysCat

Horch: Mit meinen experimentellen Methoden kann ich keinen Überblick über das gesamte Riesen-Molekül bekommen wie bei Andrea Schmidt, dafür aber an begrenzten Stellen genauer hinschauen. Hierzu verwende ich Laser, die Infrarotlicht aussenden, das mit den Atomen wechselwirkt. Auch dies geschieht sehr schnell im Bereich von Femtosekunden, also der Zeitspanne, in der auch Andrea messen kann. So können wir Details der molekularen Geometrie und elektronischen Struktur aufklären, der katalytischen Reaktion also direkt auf der Ebene der Elektronen und Atomkerne zuschauen.

Mroginski: Und ich bin quasi das Bindeglied zwischen Andrea Schmidt und Marius Horch. Die von beiden aufgenommenen Daten sind sehr komplex und nicht immer sofort eindeutig zu interpretieren. Als theoretische Biophysikerin entwerfe ich molekulare Modelle der Hydrogenase am Computer, um die Daten zu erklären. Über den ständigen Abgleich zwischen Theorie und Experiment nähern wir uns dann gemeinsam allmählich den vermutlich wahren Gegebenheiten an.

Woher kommt denn eigentlich die Hydrogenase, die Sie untersuchen?

Lenz: Die kommt von meinem Team, sie ist der Grundstoff für unsere Experimente. Wir isolieren sie aus dem Bakterium Cupriavidus necator, das überall im Erdboden vorkommt. Zudem beschäftige ich mich als Mikrobiologe mit den genetischen Hintergründen, also welche Gene im Bauplan der Hydrogenase welche Eigenschaften hervorrufen.

Bereits seit meiner Diplomarbeit vor über 25 Jahren untersuche ich ihre genauen biologischen Eigenschaften. Dass ein einzelnes Molekül so komplexe Funktionen haben kann wie quasi ein ganzer Organismus, fasziniert uns denke ich alle an diesem Forschungsgegenstand. Gleichzeitig steht er hier in der BUA-Kampagne nur stellvertretend für die vielen komplexen Herausforderungen, mit denen wir uns im Exzellenzcluster UniSysCat auf dem Weg hin zu einer grünen Chemie beschäftigen.

Herr Horch, Frau Mroginski, Herr Lenz, Frau Schmidt, danke für das Gespräch!

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