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CONTESTATIONS OF THE LIBERAL SCRIPT (SCRIPTS): DEMOKRATIE UNTER DRUCK

Populismus, autoritäre Regime, der Krieg in der Ukraine – als Zeichen für die multiperspektivische Betrachtung dieser Phänomene lässt SCRIPTS auf dem Kampagnenmotiv ein spiegelndes Polyeder über dem Berliner Checkpoint Charlie schweben.

Populismus, autoritäre Regime, der Krieg in der Ukraine – als Zeichen für die multiperspektivische Betrachtung dieser Phänomene lässt SCRIPTS auf dem Kampagnenmotiv ein spiegelndes Polyeder über dem Berliner Checkpoint Charlie schweben.

Weltweite Herausforderungen für die liberale Demokratie und Marktwirtschaft als Ordnungsmodell

Nach dem Ende des Kalten Krieges schien sich die liberale Demokratie endgültig durchgesetzt zu haben. Doch 25 Jahre später befindet sich das liberale Ordnungsmodell in einer tiefen Krise. Autoritäre Machthaber wie der russische Präsident Wladimir Putin, der ungarische Staatschef Viktor Orbán, der Generalsekretär der kommunistischen Partei Chinas Xi Jinping und nichtstaatliche Gewaltakteure wie der Islamische Staat positionieren sich offensiv als Gegenspieler dieses Ordnungsmodells.

Zugleich erstarken innerhalb liberaler Gesellschaften rechtspopulistische Bewegungen wie die Partei AfD in Deutschland, die die Grundfeste der liberalen Ordnung attackieren. Transnationale Netzwerke von autoritären Machthabern und Populisten verbinden diese Akteure.

In dem Cluster Contestations of the Liberal Script (SCRIPTS) werden die gegenwärtigen Auseinandersetzungen um die liberale Ordnung aus historischer, globaler und vergleichender Perspektive betrachtet. Welche Ursachen haben die aktuellen Auseinandersetzungen um das liberale Skript, und wie unterscheiden sie sich von früheren Krisen? Welche Auswirkungen ergeben sich für die Demokratie und die globalen Probleme des 21. Jahrhunderts?

Aus Sicht von SCRIPTS sind die gegenwärtigen Infragestellungen der liberalen Demokratie ein globales Problem, das in vielen unterschiedlichen Formen regionalspezifisch auftritt. Hier sind einige Beispiele dafür!

Mauer mit Grafitti © Unsplash / Isai Ramos

Mauer mit Grafitti © Unsplash / Isai Ramos

Wie stehen Menschen zu den Werten des liberalen Skripts?

Den Zustand liberaler Gesellschaften weltweit zu verstehen, das ist u.a. Ziel der globalen Studie Public Attitudes towards the Liberal Script (PALS). Die zwischen 2021 und 2023 in 30 Ländern mit über 60.000 Personen durchgeführte Umfrage untersucht, wie Menschen zu den zentralen Werten, Institutionen und Grundprinzipien des liberalen „Drehbuchs“ (Skript) stehen. Es geht dabei etwa um Aspekte wie Selbstbestimmung, Marktwirtschaft oder Toleranz. „Ziel ist es, ein tieferes Verständnis für die weltweite Wahrnehmung dieser Werte zu gewinnen und wie sich Unterschiede zwischen Ländern und sozialen Gruppen zeigen oder auch ob demokratische Prinzipien trotz politischer Krisen Unterstützung erfahren“, so der Leiter der Studie Dr. Heiko Giebler.

Mehr Wohlstand stärkt die liberalen Prinzipien

Erste Analysen zeigen: Ein höheres Niveau und eine fairere Verteilung von Wohlstand sind oft mit stärkerer Unterstützung liberaler Prinzipien verbunden. Überraschenderweise landen aber traditionell liberale Länder wie die USA, Großbritannien und Frankreich nur im Mittelfeld. Autoritäre Werte und das Gefühl von Benachteiligung führen hingegen in allen Ländern zu einer Ablehnung liberaler Prinzipien. Außerdem zeigt die Umfrage, dass wirtschaftliche Ungleichheit und Armut als größere gesellschaftliche Bedrohungen wahrgenommen werden als oft medial hervorgehobene Themen wie Einwanderung.

Die Datensätze der Studie sind über das Refubium-Portal der FU Berlin für nicht-kommerzielle Zwecke frei zugänglich.

Russland und China auf der Weltkarte © STEPMAP

Russland und China auf der Weltkarte © STEPMAP

China und Russland – Alternative Skripte

Wie konstruieren autoritäre Regime „alternative“ Narrative, die im Wettbewerb zum liberalen Skript stehen? Und wie werden diese Narrative von der Bevölkerung ihrer Länder wahrgenommen, umgedeutet und verhandelt? Wirtschaftswissenschaftlerin und China-Expertin Prof. Dr. Genia Kostka und der Politologe Prof. Dr. Alexander Libman konzentrieren sich in ihrem Projekt Reinterpreting the alternative script? auf Russland und China. Sie untersuchen jene Narrative, die die autoritären Regime in Bezug auf die Entwicklung neuer Trennlinien, Blöcke und Allianzen in der Welt liefern, insbesondere im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine.

Diskussion über neue geopolitische und geoökonomische Blockbildungen

Beide Länder entwickeln ihre eigene „Geschichte“ zu neuen globalen Allianzen, nutzen staatliche Medien und andere Propagandainstrumente, um sie der Öffentlichkeit zu vermitteln. In beiden Fällen sind diese Narrative Teil einer antiwestlichen Rhetorik und stehen im Zusammenhang mit der Diskussion über neue geopolitische und geoökonomische Blockbildungen. Während einzelne Aspekte dieser Narrative bei der Bevölkerung in China und Russland auf Zustimmung stoßen, werden andere abgelehnt oder auf eine Weise uminterpretiert, die deutlich den Zielen der jeweiligen Regierungen widerspricht.

1946 - Birth of the Commission on the Status of Women At Hunter College, the Sub-commission on the Status of Women meets. © UN Women / Flickr

1946 - Birth of the Commission on the Status of Women At Hunter College, the Sub-commission on the Status of Women meets. © UN Women / Flickr

Menschenrechte – wer gestaltet mit?

Menschenrechte gelten als Kernstück des liberalen Narrativs und der internationalen institutionellen Ordnung, häufig gleichgesetzt mit Liberalismus. Diese Verbindung wird überwiegend dem Einfluss westlicher Demokratien auf die internationale Menschenrechtsgestaltung zugeschrieben. Das Projekt „De-Centering Human Rights“ löst dieses vereinfachende Narrativ auf und zeigt, wie Vertreterinnen des Globalen Südens als Mitautorinnen, Interpreten und auch Herausforderer liberaler Ideen im Menschenrechtsdiskurs agieren.

Was rückt in den Fokus, wenn Menschenrechte nicht nur als liberale Norm betrachtet werden, sondern als konfliktbeladenes Feld, auf dem verschiedene Konzepte – darunter auch liberale – aufeinandertreffen und möglicherweise kollidieren? Wie begegnen – historisch und aktuell – Vertreterinnen des Globalen Südens liberalen Ideen in Menschenrechtsdebatten?

Wie haben Akteure des Globalen Südens die heutigen Menschenrechtsinstitutionen mitgeprägt?

Das Projekt „De-Centering Human Rights“ bietet eine interdisziplinäre und internationale Austauschplattform, die zunächst die vielfältigen historischen Entwicklungen nachzeichnet. Es beleuchtet, wie staatliche und nicht-staatliche Akteure des Globalen Südens die heutigen Menschenrechtsinstitutionen mitgeprägt haben und inwieweit ihr Engagement von liberalen Werten beeinflusst war.

Das Projekt Science Friction erforscht die globalen Anfechtungen der akademischen Freiheit.

Das Projekt Science Friction erforscht die globalen Anfechtungen der akademischen Freiheit.

Wenn die Wissenschaftsfreiheit auf dem Spiel steht

Die akademische Freiheit – tief im liberalen Skript als Schlüssel zu Aufklärung, Selbstbestimmung und Fortschritt verankert – ist weltweit wachsendem Druck ausgesetzt. Laut Academic Freedom Index sind individuelle Rechte wie auch die institutionelle Autonomie vieler Hochschulen bedroht. Universitäten werden geschlossen, Forschungsgelder gestrichen, bestimmte Lehrinhalte verboten. Wissenschaftlerinnen erleben Einschüchterungen – oft wegen ihrer Forschung oder öffentlichen Äußerungen. Forderungen nach Wirtschaftlichkeit, Inklusivität und demokratischer Legitimität erzeugen zusätzliche Spannungen.

Steht die Wissenschaftsfreiheit als zentrale Norm für Forschung und Lehre auf dem Spiel? Das Projekt Science Friction  arbeitet mit einem umfassenden Konzept, das von Forschung und Lehre, wissenschaftlichen Austausch über institutionelle Unversehrtheit von Bildungsstätten bis zur Meinungsfreiheit der Wissenschaftlerinnen reicht – wie in der UNESCO-Empfehlung von 1997 festlegt.

Um die globalen Anfechtungen der akademischen Freiheit zu erfassen und zu bewerten, kombiniert das Forscherinnenteam politikwissenschaftliche, rechtliche und normative Perspektiven mit vergleichender empirischer Forschung. Es untersucht die Entwicklung der akademischen Freiheit als liberale Norm und konzentriert sich auf Dynamiken und Ursachen von Anfechtungen sowie auf Widerstandsstrategien gegen diese Bedrohungen. Länderspezifische und vergleichende Studien helfen dabei individuelle Akteure und Ursachen zu verstehen, aber auch transregionale Muster und Trends zu erkennen.

Im Interview berichten Tanja Börzel und Heike Klüver mehr über die Forschung von SCRIPTS, insbesondere zu Wissenschaftsfreiheit und demokratischer Resilienz →

Du willst mehr zu den Projekten von SCRIPTS wissen? Hier geht es zur Webseite des Exzellenzclusters →