Mit der Dürre leben
Wie Wassermanagement und Stadt- und Waldumbau die Metropolregion Berlin-Brandenburg vor der Austrocknung bewahren sollen
Überflutete Straßen, Keller und Unterführungen – vertrocknete Bäume und niedrige Wasserstände in Stadt und Land. Seit 2021 erforscht die interdisziplinäre Einstein Research Unit „CliWaC – Climate and Water under Change“ Auswirkungen des Klimawandels auf wasserbezogene Risiken in Berlin und Brandenburg. Der Verbund von Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen aus Disziplinen wie Natur- und Ingenieurwissenschaften, Meteorologie, Anthropologie und Rechtswissenschaften aus FU, TU, HU und Charité sucht nach Möglichkeiten, die Folgen der Klimaphänomene für Mensch und Natur abzumildern.
Prof. Dr. Britta Tietjen ist Sprecherin des Verbunds, zusammen mit dem Meteorologen Prof. Dr. Uwe Ulbrich (FU) und dem Geografen Prof. Dr. Tobias Sauter (HU). Sie erforscht, wie die Land- und Wassernutzung angepasst werden sollte, um besser mit Stress umgehen zu können und welche Rolle dabei die Biodiversität spielt.
Im Interview erzählt sie von Lösungsansätzen – aber auch davon, welche Konflikte und rechtlichen und administrativen Schwierigkeiten im Zuge ihrer Umsetzung auftreten.
„Das wasserreichste Bundesland Deutschlands vertrocknet“, sagte Prof. Sabine Kunst, damalige Sprecherin der Berlin University Alliance, zum Start von CliWaC vor drei Jahren. Wie groß ist das Problem heute?
Der Grundwasserspiegel ist in vielen Teilen Brandenburgs seit 2000 gesunken, denn für Trinkwasser, Landwirtschaft oder Industrie wurde mehr Wasser entnommen als neu gebildet. Steigende Temperaturen lassen viel Wasser verdunsten, bevor es versickern kann. Und bei Starkregen kann der Boden das meiste Wasser nicht schnell genug aufnehmen. Es fließt an der Oberfläche ab in Flüsse und Kanalisationen.
Dabei fällt in der Region gar nicht weniger Regen, wie die FU-Wetterstation in Dahlem zeigt, aber er verteilt sich anders. Wir haben mehr Starkregenereignisse und Trockenperioden. Ein massives Problem sind außerdem die Waldbrände. Im Dürrejahr 2018 sind in Deutschland 2300 Hektar Wald abgebrannt, insbesondere in Brandenburg mit seinen vielen trockenen Sandböden und leicht entflammbaren Kiefernwäldern. Löscharbeiten verzögern sich dort zudem durch Munition der ehemaligen Truppenübungsplätze, die sich noch im Boden befindet.
Wie reagieren die Pflanzen im Boden, die Flüsse und Seen auf die Trockenheit?
Bei starker Trockenheit verdorren junge Pflanzen bevor sie ein ausreichend tiefes Wurzelwerk bilden können, alte Pflanzen sterben ab oder werden leicht Opfer von Borkenkäfern. Die Nährstoffverfügbarkeit im Boden sinkt und die geringere Pflanzenbedeckung fördert Bodenerosionen. Wir wollen daher Baumarten identifizieren, die gut mit Dürrestress umgehen können, um Empfehlungen für den Waldumbau zu einem artenreichen Mischwald geben zu können. Bei gebietsfremden Arten müssen wir allerdings auch unerwartete Folgen bedenken, sowohl für die Wasserspeicherung als auch für heimische Pflanzen, Tiere und den Menschen.
Bei den Seen zeigt sich die Reaktion am Wasserspiegel, im Wasser selbst sowie an den Ufern, was auch die Nutzung zur Naherholung einschränkt. Für Wannsee und Havel ist das noch nicht erkennbar, da sie für die Schifffahrt reguliert werden. Aber für die Spree muss untersucht werden, ob nach dem Ausstieg aus dem Braunkohleabbau noch genügend Wasser aus dem Oberlauf Richtung Berlin fließt, denn aus den Abbaugebieten wurde bislang Wasser in die Spree gepumpt, um trocken an die Kohle zu kommen.
Die Region Berlin-Brandenburg umfasst zwei Bundesländer mit unterschiedlichen Bedürfnissen. Birgt das nicht Konfliktpotenzial?
Natürlich gibt es zahlreiche Spannungsfelder. Die Wassernutzung und das Potenzial für Grundwasserneubildung unterscheiden sich im ländlicheren Raum und in der Großstadt ja sehr, ebenso die Möglichkeiten des Handelns. In CliWaC untersuchen wir beispielhaft den Groß-Glienicker See. Er speist sich fast ausschließlich aus Grundwasser und durch ihn verläuft die Landesgrenze zwischen Berlin und Brandenburg. Wird beispielsweise mehr Wasser für die Bewässerung von Feldern oder Gärten im Einzugsgebiet entnommen oder ändert sich die Artenzusammensetzung des Waldes, so wirkt sich das auf den Grundwasserstand und den Wasserstand des Sees aus. Wenn bei Starkregen verschmutztes Wasser in den See gelangt, leidet zudem die Wasserqualität. Die Behörden müssen sich dann eng abstimmen, um eine Übernutzung des Grundwassers zu verhindern und eine gute Qualität des Wassers zu erhalten.
Was können wir tun, um Wasser und Böden zu schützen?
Wir müssen unsere Städte, die Landwirtschaft, das Wassermanagement und vermutlich auch unser Leben anpassen. Internationale Klimaabkommen zur Reduktion der Treibhausgas-Emissionen sind das eine, aber natürlich müssen auch Städte, Gemeinden, Industrie und jede Einzelperson ihren Beitrag leisten. Eine Möglichkeit ist, unsere Städte zu sogenannten „Schwammstädten“ umzubauen, die einen Großteil des Regenwassers speichern, statt ihn in die Kanalisation zu leiten. Dazu gehört es auch, Fassaden und Dächer zu begrünen, befestigte Flächen zu entsiegeln sowie Grünflächen und Feuchtgebiete zu erweitern, damit das Wasser versickern kann. Dies reduziert die Risiken von Starkregen und sorgt durch die erhöhte Verdunstung an heißen Tagen für Abkühlung.
Sinnvolle Schritte in der Landwirtschaft sind der Anbau resistenterer Sorten sowie die sogenannte Agro-Forstwirtschaft, die Abwechslung von land- und forstwirtschaftlich genutzten Streifen. Das erhöht oftmals die Wasserverfügbarkeit im Boden, verringert den Nährstoffverlust und steigert die Biodiversität.
Wie profitiert universitäre Spitzenforschung wie das Verbundprojekt CliWaC vom Wissenschaftsstandort Berlin und wie kann es weitergehen?
Mit CliWaC konnten wir viele Disziplinen, die für Fragen rund um das Wasser relevant sind, so vernetzen, wie es bisher kaum vorstellbar war. Und zwar regional und überregional. Wir sind froh, dass wir die hydrologische und landwirtschaftliche Expertise des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei IGB beziehungsweise des Leibniz-Zentrums für Agrarlandschaftsforschung ZALF einbinden konnten; ebenso das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung IÖW sowie das Potsdam Institut für Klimafolgenforschung PIK und andere.
Die Abdeckung verschiedenster Aspekte verleiht uns viel mehr Schlagkraft, wodurch wir auch für die Senatsverwaltung und die Berliner Wasserbetriebe zu interessanten Partnern geworden sind. Unter anderem hat eine Studie von CliWaC-Rechtswissenschaftler*innen zu einer Veröffentlichung der bislang unter Verschluss gehaltenen Starkregen-Gefahrenkarte geführt. Auch konnten wir unsere Ergebnisse und wissenschaftlichen Ansätze auf der Wasserkonferenz der Industrie- und Handelskammern Berlin-Brandenburg präsentieren.
Sie sagen, dass jede Einzelperson ihren Beitrag leisten muss, um Wasser und Böden zu schützen. Um Ihre Forschungsergebnisse an eine breite Öffentlichkeit zu vermitteln, wählen Sie besondere Wege.
Außergewöhnlich ist insbesondere die Kooperation mit dem BUA-Experimentallabor „AnthropoScenes“. Hier treffen Kunst und Wissenschaft auf ein breites Publikum, zum Beispiel auch im Humboldt-Forum. In der Veranstaltung „Flussgeschichten“ kommt die Spree selbst zu Wort. Faszinierend! Und ein Theaterstück inszenierte Wasserknappheit und Klimawandel durch die Verknüpfung von Science-Fiction und griechischer Mythologie.
Was sind Ihre Visionen für die Zukunft?
Vor allem müssen nun Konsequenzen aus unseren Ergebnissen gezogen und wirksame Maßnahmen identifiziert werden. Eine sehr schöne Möglichkeit hierfür sehe ich im Climate Change Center Berlin Brandenburg, das sich als inter- und transdisziplinäres Zentrum für Forschung und Wissenstransfer sieht. Meine Vision ist, dass die Idee der Nachhaltigkeit in allen Bereichen kein Lippenbekenntnis bleibt, sondern Leitbild des gesellschaftlichen Handelns wird.
Vielen Dank für das Gespräch!
Bildcredits: privat / CliWaC / AnthropoScenes