Rückblick BUA Open Space #3: Vertrauen in Wissenschaft
„Vertrauen in die Wissenschaft“ – das war das Thema der dritten Ausgabe der Salonreihe BUA Open Space der Berlin University Alliance
In einer Zeit, in der Wissenschaftsskepsis, Desinformation und politische Polarisierung zunehmen, ist es wichtiger denn je, das Vertrauen der Gesellschaft in die Forschung zu festigen – als Grundlage verantwortungsvoller Lösungen für die großen Herausforderungen unserer Zeit. Doch was sind die Schlüsselfaktoren für das Vertrauen in die Wissenschaft? Welche Rolle spielen die Medien? Wie steht es um die wissenschaftliche Integrität?
Am 1. November lud die Berlin University Alliance in die Hörsaalruine der Charité, um bei der dritten Ausgabe der Salonreihe BUA Open Space diesen Fragen auf den Grund zu gehen.
Auf dem Panel gab Dr. Anne-Sophie Behm-Bahtat (Projektleiterin Insights bei Wissenschaft im Dialog, EU-Forschungsprojekt POIESIS) Einblicke in die Forschung zu Vertrauen in Wissenschaft, Prof. Dr. Mazda Adli (Charité Berlin, Leiter des Forschungsbereichs Affektive Störungen und der AG Neurourbanistik) teilte seine Erfahrungen als aktiver Wissenschaftskommunikator und Sascha Karberg (Ressortleiter Wissenschaft, Tagesspiegel) brachte als Journalist den Blick von außen ein.
"Vertrauen ist die zentrale Währung zwischen Wissenschaft und Gesellschaft", eröffnete Alexandra-Gwyn Paetz, Geschäftsführerin der Berlin University Alliance. Gerade Themen auf der Metaebene wie eben das Vertrauen in Wissenschaft, verantwortungsvolle Lehre oder Transfer seien Aufgaben, für die sich die BUA verantwortlich fühle und über die sie eine Debatte anregen möchte: "Wir wollen in der Diskussion wirklich dahingehen, wo es wehtut."
56 Prozent der Menschen in Deutschland vertrauen in Wissenschaft und Forschung
Auf die Frage, wie es in Deutschland um das Vertrauen in die Wissenschaft steht, antwortete die Forscherin Anne-Sophie Behm-Bahtat, dass das Vertrauen laut Wissenschaftsbarometer 2023 im Vergleich zum Vorjahr tatsächlich gesunken sei, dies aber noch nicht alarmierend sei: "Während Corona ist das Vertrauen auf bis zu 73 Prozent gestiegen, nun pegelt es sich mit 56 Prozent in etwa auf Vorpandemielevel ein. Und nur 10 Prozent der Befragten haben gar kein Vertrauen in die Wissenschaft, die anderen sind unentschieden." Von vier Dimensionen, die für das Vertrauen in Wissenschaft besonders relevant seien - wissenschaftliche Expertise, Integrität, Gemeinwohlorientierung und Offenheit des Systems für Rückmeldung - seien für die Befragten Interessenskonflikte, also Fragen der Integrität, der Hauptgrund für Misstrauen.
Schlüsselaspekt: Wissenschaftliche Integrität
Teil der Salonreihe Open Space ist die aktive Beteiligung des Publikums, für das auf der Bühne ein freier Sessel bereitsteht. Auch an diesem Abend nahmen dort mehrere Gäste Platz, um ihre Fragen einzubringen. "Was bringt Forschende dazu, ihre Ergebnisse zu fälschen?", lautete eine von ihnen und brachte die Diskussion auf strukturelle Probleme des Wissenschaftssystems: Der Publikationsdruck ist hoch, das Werben um Drittmittel lässt wenig Zeit für weitere Schleifen im Forschungsprozess, die ehrenamtliche Peer Review-Tätigkeit wird nicht belohnt, das Evaluationssystem von Forschenden ist nicht mehr zeitgemäß.
Aus seiner Perspektive als Journalist benannte Sascha Karberg ein weiteres Problem: "Auch in Pressemitteilungen müssen Forschende das eigene Forschungsergebnis transparent machen und nicht nur das Schöne, sondern auch das Problematische mit reingeben. Öffentlich finanzierte Forschung sollte nicht klingen wie eine Industrie-Pressemitteilung."
Ohne gute Wissenschaftskommunikation kein Vertrauen
Als Psychiater nimmt Mazda Adli besondere Berührungsängste mit seinem Forschungsgebiet wahr und hat sich deswegen schon früh Kommunikationsformate überlegt, um den Kontakt zum nicht-akademischen Publikum zu finden - auch populärwissenschaftliche: "Der Austausch und das Offenlegen unserer Methodik stärkt das Vertrauen in die Forschung. Andersherum hilft es mir als Wissenschaftler, zu verstehen, was die wichtigen Fragen sind, die die Menschen bewegen."
In den Medien gibt es wenig Raum für längere Ausführungen
Die Panelist*innen berichteten von einer grundlegenden Herausforderung: Viele Menschen wissen nicht, wie Wissenschaft überhaupt funktioniert. Wissenschaft liefert nicht die eine eindeutige Antwort, auch wenn gerade während der Coronapandemie danach verlangt wurde. Während der Pandemie wurde der Prozess von Wissenschaft für viele das erste Mal spürbar: Daten mussten erst gesammelt werden, es gab verschiedene Ansätze und auch Ergebnisse wurden immer wieder in Frage gestellt. "Diese Eigenheit der Wissenschaft passt nicht zum System des Journalismus, der Klicks und Abos braucht und deswegen eher schnelle Meinungen raushaut, statt lange Texte zu veröffentlichen. Das ist eine der Herausforderungen, vor der wir stehen", sagte Sascha Karberg.
Die Verantwortung der Politik
Die Rolle der Politik wurde von einer Teilnehmerin aus dem Publikum in die Diskussion eingebracht: "Wenn die Politik wissenschaftliche Erkenntnisse nicht berücksichtigt und nicht in Gesetze umsetzt, trägt sie eine Mitverantwortung dafür, dass Menschen Wissenschaft nicht vertrauen."
"Vertrauen in die Wissenschaft geht aber auch verloren, wenn Wissenschaft von der Politik instrumentalisiert wird", ergänzte Anne-Sophie Behm-Bahtat. "Die Wissenschaft wird dann als nicht unabhängig betrachtet. Es geht auch um die Frage, welchen Institutionen "man trauen" kann."
Was muss getan werden? Die Schlussrunde
Auf die Frage von Moderator Mads Pankow, was die eine wichtige Sache sei, um das Vertrauen in Wissenschaft zu stärken, antwortete Mazda Adli bestimmt: "Beteiligung der Gesellschaft! Wir müssen erklären, wieso das, was wir machen, für alle wichtig ist und Relevanz hat."
"Worten Taten folgen lassen", sagte Anne-Sophie Behm-Bahtat. "Wir wissen, welche Probleme das System Wissenschaft hat und es ist Zeit, etwas zu ändern."
Sascha Karberg betonte abschließend die Dringlichkeit des Themas: "Wissenschaft ist das einzige Werkzeug, das wir haben, um "richtige" Entscheidungen herbeizuführen. Hier geht es nicht um glauben, sondern darum, etwas zu wissen - deswegen steht viel auf dem Spiel, wenn die Menschen das Vertrauen in die Wissenschaft verlieren."
Wir bedanken uns bei allen Beteiligten!