Exzellent für Berlin - Einblicke der Politik in die Themen der sieben Exzellenzcluster: Wissenschaftssenatorin Dr. Ina Czyborra besucht die Berliner Exzellenzcluster
Sie sind die treibenden Kräfte in der Berliner Forschungslandschaft und stehen für Forschung auf höchstem Niveau: 2019 warben die Freie Universität Berlin (FU) die Humboldt-Universität zu Berlin (HU), die Technische Universität Berlin (TU) und die Charité – Universitätsmedizin im Forschungswettbewerb Exzellenzstrategie erfolgreich sieben Exzellenzcluster ein. Berlin ist damit Spitzenreiter der deutschen Wissenschaftsstandorte.
BUA lädt Senatorin ein
Die Exzellenzcluster stärken nicht nur die Spitzenforschung in Berlin, sondern wirken gleichzeitig weit über die Grenzen der Hochschulen hinaus. Sie sind der Nährboden für Netzwerke mit kulturellen, politischen und gesellschaftlichen Institutionen und internationalen Partnerinnen und Partnern, bringen den Wirtschaftsstandort Berlin voran, suchen den Austausch mit der Stadtgesellschaft und entwickeln dafür passende Kommunikationsangebote. „Die Exzellenzcluster in Berlin sind die treibende Kraft für den integrierten Forschungsraum in unserer Stadt und damit auch für die Berlin University Alliance. Für die Innovations- und Zukunftsfähigkeit Berlins sind die sieben Exzellenzcluster eine große Chance, da sie aktiv Lösungsansätze für die großen Herausforderungen unserer Zeit erarbeiten“, erklärt BUA-Sprecherin und TU-Präsidentin Geraldine Rauch.
Dass die Exzellenzcluster viel in und für Berlin zu bieten haben, davon überzeugt sich derzeit die Wissenschaftssenatorin des Landes Berlin, Dr. Ina Czyborra, aus erster Hand. Auf Einladung der Berlin University Alliance besucht sie alle sieben Cluster, informiert sich über ihre Forschungsinhalte, tauscht sich mit den Forscherinnen und Forschern darüber aus, was bisher schon erreicht wurde, welche Pläne es für die Zukunft gibt und was benötigt wird, damit Wissenschaft in Berlin weiterhin exzellent bleiben kann. „Die sieben Exzellenzcluster in Berlin leben die aktive, transdisziplinäre Zusammenarbeit und sind genau deshalb so wichtig für die BUA. Wenn ich die BUA-Cluster besuche, erlebe ich all das: transdisziplinäre Zusammenarbeit, die Suche nach Lösungen für die großen Probleme, die wir heute und in Zukunft haben. Die Cluster führen Menschen zusammen, die vorher nicht zusammengearbeitet haben, aus den verschiedensten Wissenschaften und Institutionen. In ihrem Miteinander, ihrer Vernetzung und an den Grenzflächen wird das wirklich Neue geschaffen“, sagt Ina Czyborra.
Berlin als Standort grüner Chemie
Einer ihrer Besuche führte die Wissenschaftssenatorin Anfang Oktober ins „BasCat“ – dem Joint Lab des Exzellenzclusters Unifying Systems in Catalysis (UniSysCat) und des Industriepartners BASF. Unter hochmodernen und praxisnahen Bedingungen werden hier energieeffiziente katalytische Technologien, nachhaltige Wertschöpfungsketten und datengestützte und innovative Verfahren der Katalyseforschung bearbeitet.
Prof. Arne Thomas ist Sprecher von UniSysCat und sagt: „Berlin wird ein künftiger Standort für grüne Chemie werden.“ Die Ideen dafür entstehen aus der Grundlagenforschung des Clusters, in dem Forschende aus der Chemie, der Biologie, den Ingenieurswissenschaften und der Physik zusammen an den großen globalen Herausforderungen der Chemiebranche arbeiten. Diese muss künftig auf nachhaltigen Füßen stehen und ohne fossile Rohstoffe und Energie auskommen. Dafür sind neue Produktionswege und Verfahren notwendig, die die Forschenden gemeinsam entwickeln und dabei vor allem auf Katalyse setzen.
Cluster setzen Impulse für Startups
Der Weg von der Idee zur Anwendung und schließlich zur Unternehmensgründung kann gerade in der Chemie sehr schwierig sein, weiß Arne Thomas: „Das notwendige Equipment wie Mikroskope und andere Messgeräte oder Laborausstattung ist sehr teuer.“ Mit der „Chemical Invention Factory“ entsteht aus dem Exzellenzcluster heraus ein „Ökosystem“ für Startups im Bereich der grünen Chemie, das genau diese Grundausstattung zur Verfügung stellt und zugleich den engen Kontakt zu Forschungspartner*innen herstellt. „Wir haben Expertise aus vielen verschiedenen Fachgebieten und aus allen vier Partnereinrichtungen der BUA. Diese gute Vernetzung ist ein enormer Standortvorteil für Berlin“, sagt Arne Thomas, der damit unterstreicht, wie die Forschung im Exzellenzcluster auch Grundsteine für wirtschaftliche Impulse legt und damit einen erfolgreichen Wissenstransfer aus den Clustern heraus darstellt. Bisher gebe es keine große chemische Produktion in Berlin. Mit kleineren, dezentralen Anlagen, die auf nachwachsenden Rohstoffen und erneuerbarer Energie beruhen, könnte sich das in Zukunft ändern. Das zentrale Thema für eine zweite Förderphase ab 2026 sieht Arne Thomas darin, die Kreislaufwirtschaft in der Chemiebranche voranzubringen. Weitere Themen sind die Umwandlung von CO2 in hochwertige Produkte, die Erzeugung und Verwertung von grünem Wasserstoff und das Recycling von Plastik durch Katalyse.
Neue Schnittstellen, neue Karrierewege
Für gelebte Interdisziplinarität steht der Exzellenzcluster „Matters of Activity“, der Geistes-, Natur- und Gestaltungswissenschaften zusammenführt. Das spiegelt sich auch in der Sprecherschaft des Clusters wider, die mit der Design- und Kulturwissenschaftlerin Prof. Claudia Mareis, dem Kunsthistoriker Prof. Horst Bredekamp, dem Physiker Prof. Peter Fratzl und dem Wissens- und Medienhistoriker Prof. Wolfgang Schäffner besetzt ist. Unter dem übergeordneten Thema aktive Materialien verbindet der Cluster Forschende, die üblicherweise nur wenige Schnittmengen haben, in gemeinsamen Projekten: Beispielsweise arbeitet und kollaboriert eine Designerin im Mikrobiologielabor, ein Experte für digitale Medien forscht gemeinsam mit Medizinerinnen und Medizinern. Das führt zu einzigartigen Ergebnissen, aber auch zu ungewöhnlichen Karrierewegen: „Aktuell steht der Cluster gerade vor der Herausforderung, eine hybride Promotion in Berlin möglich zu machen“, erklärt Clustersprecherin Claudia Mareis. „Das ist bisher schwierig, könnte aber künftig die Einzigartigkeit des Berliner Forschungsraums hervorheben und stärken.“
Matters of Activity knüpft nicht nur enge Bande zwischen verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen, sondern auch zwischen Wissenschaft und Stadtgesellschaft. In transdisziplinären Projekten entwickeln Forschende und Akteur*innen aus der Stadtgesellschaft gemeinsam Ausstellungen, Workshops und innovative Formate der Wissenschaftskommunikation wie das BUA-geförderte Experimentallabor „CollActive Materials“, in dem Gesellschaft und Wissenschaft über mögliche Zukünfte spekulieren, etwa rund um das Thema Luft.
Um weiterhin die klügsten Köpfe nach Berlin zu holen, wünscht sich der Cluster von der Berliner Politik künftig noch mehr Mut für eine Unterstützung von außergewöhnlichen und zum Teil mit Risiken behafteten Forschungsvorhaben – auch mit Blick auf eine mögliche weitere Förderphase, für die sich die Cluster im kommenden August bewerben müssen. Denn mitunter können gerade dort, wo neue, ungewohnte Wege beschritten werden, auch überraschende Lösungen für aktuelle Probleme entdeckt werden. „Exzellenzcluster sind auch Experimentierräume. Und dafür braucht es zusätzliche finanzielle Ressourcen“, betont Clustersprecher Wolfgang Schäffner.
Grundlagen und Prinzipien von Intelligenz
Auf der SCIoI Fair, einer Veranstaltung des Exzellenzclusters Science of Intelligence (SCIoI), die führende Expert*innen aus Wissenschaft und Politik, Journalist*innen sowie die breite Öffentlichkeit zusammenbrachte, erhielt Ina Czyborra im vergangenen September Einblicke darin, wie Berlin als globaler Hub für Intelligenzforschung etabliert wird und welche Impulse das Cluster für die Nutzung des Potenzials der Künstlichen Intelligenz (KI) geben kann. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Informatik, Robotik, Verhaltensbiologie, Psychologie, Philosophie, den Neurowissenschaften und der Bildungsforschung arbeiten im Cluster zusammen, um die fundamentalen Prinzipien unterschiedlicher Intelligenzformen zu erforschen und zu verstehen.
Zukunftstechnologie made in Berlin
Wie komplex sowohl natürliche als auch künstliche Intelligenz sind und welches Potenzial darin schlummert, zeigte eine interaktive Ausstellung, in der „Kilobots“ die kollektive Intelligenz von Fischschwärmen oder Bienenstöcken nachahmten und ein simulierter Fischschwarm durchwandert werden konnte, der auf menschliche Präsenz mit Bewegungen in Echtzeit reagierte. Die Zusammenarbeit von Verhaltensbiologie und Robotik illustrierte ein Roboterarm, der ein kinematisches Rätsel löste. Diese Interaktionen ermöglichten es der Senatorin und anderen Besucher*innen, ein tieferes Verständnis für die Prinzipien der Intelligenz zu erlangen und sich mit Wissenschaftler*innen über ihre Forschung auszutauschen.
Clustersprecher Prof. Dr. Oliver Brock von der TU Berlin betont, dass Künstliche Intelligenz (KI) unseren Alltag bereits grundlegend beeinflusse. „Das Wissen über Intelligenz ist jedoch lückenhaft und reicht nicht aus, um angemessene Antworten auf neue Herausforderungen zu finden“, erklärt der Informatiker und Experte für Robotik, der zugleich unterstreicht, dass Berlin auf mehreren Ebenen von der Arbeit des Exzellenzclusters profitiert. „Die Forschungsergebnisse aus dem Cluster tragen dazu bei, neue intelligente Technologien zu schaffen und stärken damit den Berliner Forschungsraum als wichtigen Standort für diese Zukunftstechnologie.“ Zudem zeigen Kooperationen mit lokalen Bildungseinrichtungen, Unternehmen und Gemeinschaften die Bedeutung des Clusters für die Stadt und ihre Bewohner*innen.
Die sieben Berliner Exzellenzcluster im Überblick
Matters of Activity
Was können wir von der Natur und traditionellen Kulturtechniken lernen? Wie kann man durch die gezielte Nutzung der Eigenaktivität von Materialen nachhaltigere, widerstandsfähigere und gerechtere Herstellungs-, Produktions- und Lebensweisen erforschen und beeinflussen? Damit beschäftigen sich Forschende aus mehr als 40 Disziplinen im Exzellenzcluster Matters of Activity. Biologie und Technik, Geisteswissenschaften und Material, Natur und Kultur verschränken sich dabei auf neue Art und Weise und bringen überraschende Lösungen hervor.
MATH+
Die Welt durch Mathematik verändern – das ist der Slogan des Exzellenzclusters Berlin Mathematics Research Center (MATH+). Er hat sich zum Ziel gesetzt, neue Ansätze in der anwendungsorientierten Mathematik zu erforschen und weiterzuentwickeln. Im Mittelpunkt stehen mathematische Grundlagen für die Nutzung immer größerer Datenmengen in den Lebens- und Materialwissenschaften, in der Energie- und Netzwerkforschung sowie in den Geistes- und Sozialwissenschaften.
NeuroCure
Die Krankheitsmechanismen neurologischer und psychiatrischer Erkrankungen besser zu verstehen, zu diagnostizieren und Therapieansätze zu entwickeln – das sind die Ziele des Exzellenzclusters NeuroCure. Damit die gewonnenen Erkenntnisse schnell in die klinische Anwendung gelangen und damit den Patientinnen und Patienten helfen können, hat der Cluster ein eigenes klinisches Forschungszentrum – das Neuroscience Clinical Research Center (NCRC) – innerhalb der Charité – Universitätsmedizin gegründet. Hier arbeiten Grundlagenforschung und klinische Forschung eng zusammen.
Science of Intelligence
Was ist Intelligenz? Diese Frage untersuchen Forschende aus der Psychologie, der Neurologie, den Verhaltenswissenschaften, der Informatik und der Robotik im Exzellenzcluster Science of Intelligence (SCIoI) aus verschiedenen Blickwinkeln. Es gibt noch große Wissenslücken darüber, auf welchen fundamentalen Gesetzen und Prinzipien künstliche, individuelle oder kollektive Intelligenz beruht. Um diese Lücken zu schließen, arbeiten die Forschenden fächerübergreifend zusammen, beobachten und analysieren intelligentes Verhalten und entwickeln selbst künstliche intelligente Systeme.
SCRIPTS
Die Auseinandersetzungen um die liberale Ordnung aus historischer, globaler und vergleichender Perspektive stehen im Zentrum des Exzellenzclusters Contestations oft the Liberal Script (SCRIPTS). Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit, Fortschritt und Toleranz sind die Grundbausteine des liberalen Skripts. Gesellschaften mit liberalen Grundordnungen stehen jedoch weltweit unter Druck. Die Wissenschaftler*innen widmen sich der Frage, warum das trotz aller Errungenschaften so ist, wo die Ursachen aktueller Konflikte liegen und worin sie sich von vorangegangenen Krisen unterscheiden. Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die Demokratie und die globalen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts?
Temporal Communities
An einem globalen Verständnis von Literatur arbeitet der Exzellenzcluster Temporal Communities – Doing Literature in a Global Perspective. Dafür wollen die Forschenden bestehende traditionelle sprachliche und kulturelle Grenzen überwinden und die Fähigkeit von Literatur ergründen, Gemeinschaft zu stiften. Literatur greift über Räume und Zeiten – manchmal über Jahrtausende – hinaus, bildet komplexe Netzwerke aus und steht in ständigem Austausch mit anderen Künsten, Medien, Institutionen und der Gesellschaft. Der Cluster pflegt intensive Kooperationen mit der Kunst- und Literaturszene Berlins, um Forschungsfragen gemeinsam zu bearbeiten.
UniSysCat
Mehr als 300 Forschende aus vier Universitäten und vier Forschungseinrichtungen arbeiten im Exzellenzcluster Unifying Systems in Catalysis (UniSysCat) daran, die Katalyse zu revolutionieren. Ihre Erkenntnisse können Lösungen für viele drängende globale Probleme liefern: Klimaneutrale Kraftstoffe, nachhaltige Produktionswege in der chemischen Industrie oder Recycling von Kunststoffen werden durch katalytische Verfahren realisiert. Forschende aus den Fächern Chemie, Biologie, Ingenieurwissenschaften und Physik arbeiten dafür eng zusammen.