Sybille Hinze
Leiterin des Center for Open and Responsible Research (CORe) in Objective 3: Advancing Research Quality and Value
24.02.2022
Die vier Verbundpartnerinnen der Berlin University Alliance verfolgen eine gemeinsame Strategie zur Entwicklung und Förderung der Wertigkeit, Qualität, Integrität und Glaubwürdigkeit von Forschung. Im Schwerpunktbereich Advancing Reserach Quality and Value bündeln die Freie Universität Berlin, die Humboldt-Universität zu Berlin, die Technische Universität Berlin und die Charité – Universitätsmedizin Berlin ihre Aktivitäten im Bereich der Forschung über Qualität in der Wissenschaft und entwickeln Maßnahmen, um die Forschungsqualität an den Einrichtungen zu beobachten, zu bewerten und zu sichern.
Seit Juli 2020 leitet Sybille Hinze das Center for Open and Responsible Research (CORe). Zuvor war sie stellvertretende Leiterin der Abteilung Forschungssystem und Wissenschaftsdynamik am Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung.
Frau Hinze, Sie arbeiten im Schwerpunktbereich, in dem es allgemein um die Qualität und den Wert der Forschung geht. Womit genau beschäftigen Sie sich?
Das Ziel unserer Arbeit ist es, Elemente für eine Forschungs-Governance zu entwickeln, die auf einem gemeinsamen Verständnis über zentrale Werte der wissenschaftlichen Tätigkeit beruht. Dazu unterstützen wir Projekte, die sich disziplinen-spezifisch mit Forschungspraktiken auseinandersetzen. Ein Fokus liegt im Bereich Open Science, also der Öffnung von Wissenschaft. Das umfasst sowohl die Verfügbarmachung von Wissen unter den Schlagworten Open Access oder Open Data als auch Verfahren, die eine Öffentlichkeit bei der Überprüfung von Forschungsvorhaben und Forschungsergebnissen ermöglichen, etwa durch offene Peer Review Verfahren.
Da wir in unseren Prozessen auch unserem eigenen Anspruch gerecht werden wollen, haben wir in einer Ausschreibung ein Open Peer Review angewendet. Mit der Förderlinie unterstützen wir Projekte, die eine Öffnung der Wissenschaft ermöglichen und sich damit auseinandersetzen, was wir unter dem Begriff Forschungsqualität verstehen, wie wir diese überprüfen und nachhaltig sicherstellen können. So wollen wir dazu beitragen, die Art und Weise, wie Forschung an den Einrichtungen der BUA-Verbundpartnerinnen betrieben wird, an diesen Werten orientiert und die Rahmenbedingungen für Forschung entsprechend gestaltet werden.
Sie sind die Leiterin des Center for Open and Responsible Research. Welche Ziele verfolgen Sie mit CORe?
CORe ist die Plattform, über die wir Arbeiten zu diesen Themen koordinieren und über die wir Maßnahmen und Projekte initiieren. Einerseits wollen wir mit CORe Forschung über Qualität in der Wissenschaft auf den Weg bringen, aus der dann im besten Fall konkrete, strukturverändernde Maßnahmen für die Einrichtungen im Verbund entstehen.
Andererseits liegt ein Fokus auf dem Monitoring. Das heißt, wir werfen einen Blick darauf, ob und wie sich die Forschungspraktiken verändern. Finden Open-Science-Praktiken stärker Einzug in den wissenschaftlichen Alltag? Wie kooperieren Wissenschaftler*innen miteinander? Im Rahmen eines unserer Pilotprojekte wird mit dem Berlin Science Survey ein Tool für die langfristige Beobachtung dieser Veränderungen entwickelt.
Die OpenX Initiative ist eine der Maßnahmen, die Ihr Team verfolgt. Was genau passiert im Rahmen dieser Initiative?
Die OpenX Initiative verfolgt das Ziel, gemeinsam mit den Akteur*innen an den Einrichtungen der BUA-Verbundpartnerinnen eine Open Science Policy zu entwickeln. Es gibt bereits Open Access und Open Data Policies, aber Open Science geht deutlich darüber hinaus und berührt beispielsweise auch das Thema der Bewertungssysteme, deren Reform gerade ein heißes nationales und internationales Thema ist. Die Entwicklung geht weg von den stark metrifizierenden, also an Messbarkeit ausgerichteten Ansätzen hin zu ausbalancierten Ansätzen, in denen zunehmend die Qualität der Forschung im Vordergrund stehen soll, aber auch zusätzliche Bewertungsdimensionen berücksichtigt werden, etwa das Engagement in Open-Science-Praktiken. Für letzteres sollen auch mit der Novelle des Berliner Hochschulgesetzes (BerlHG) Anreize geschaffen werden.
Sie sind am 18. Februar 2022 zu einer Konferenz des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung zum Thema Impact der Wissenschaft eingeladen. Was genau kann man unter Impact verstehen?
Auf diese Frage gibt es keine ganz einfache Antwort. Es geht darum, zu hinterfragen: Was wird mit Wissenschaft eigentlich erreicht? Es gibt Bereiche der Wissenschaft, die auf den Erkenntnisgewinn ausgerichtet sind. Der Impact besteht dann in einer Erweiterung des Wissens über die Gesellschaft, die Natur, die Interaktion von Gesellschaft und Natur. Hier spricht man in der Regel vom wissenschaftlichen Impact.
Heutzutage steht zunehmend die Frage nach dem societal impact im Raum: Was hat die Gesellschaft, was hat der Einzelne davon, dass wir nicht unerhebliche Ressourcen für die Wissenschaft aufwenden? Häufig ist es schwierig, allein damit zu argumentieren, dass Wissen generiert wird. Die Leute möchten lieber ganz praktische Belege für die Relevanz der Wissenschaft, wie zum Beispiel eine Heilung für Krebs.
Der Begriff Impact möchte die Bedeutung von Forschung greifbar und bewertbar machen. Inwieweit dieser Impact auf ganz bestimmte wissenschaftliche Aktivitäten zurückgeführt werden kann, ist wiederum eine schwierige Frage. Häufig zeigen sich insbesondere die gesellschaftlichen Effekte von Forschung mit langen zeitlichen Verzögerungen und stützen sich auf eine Vielzahl von Forschungsaktivitäten. Nichtsdestotrotz werden Wissenschaftler*innen zunehmend nach dem gesellschaftlichen Impact ihrer Arbeit gefragt und auch daran gemessen. Dafür müssen wir uns aber erst einmal darüber verständigen, was dieses Konstrukt Impact eigentlich ist. Dem versucht sich die Konferenz des Fraunhofer-Instituts zu nähern.
Welche Perspektive kann die BUA zu diesem Thema beitragen?
Wir haben in der BUA ganz unterschiedliche Schnittstellen, die dieses Thema bedienen. In unserem Team beschäftigen wir uns mit der Qualität von Forschung. Nur qualitativ hochwertige Wissenschaft kann letztlich zu nachhaltigen Effekten führen, die sich auch im gesellschaftlichen Kontext zeigen. Nachhaltig die Qualität von Wissenschaft sicherzustellen, ist also eine der Voraussetzungen für Impact.
Die Transparenz und Öffnung der Wissenschaft ist ein weiterer Aspekt, denn zu Open Science gehört auch der Austausch über die Bedarfe der Gesellschaft: Welche Fragen treiben die Gesellschaft um? Wie kann die Wissenschaft einen Beitrag zu deren Beantwortung liefern? Dabei darf aber auch nicht vergessen werden, dass es natürlich immer noch Raum geben muss für Wissenschaft, die sich nicht von vorneherein an diesen Bedarfen ausrichtet. An diesen Fragen arbeiten in der Berlin University Alliance auch andere Kolleg*innen, beispielsweise in den Schwerpunktbereichen Fostering Knowledge Exchange und Focusing on Grand Challenges.
Was ist für Sie besonders spannend an diesem Thema?
Die Rahmenbedingungen für Wissenschaft müssen so gestaltet werden, dass sie eine qualitativ hochwertige Forschung und damit auch eine Forschung mit gesellschaftlichem Impact ermöglichen. Dazu müssen Wissenschaft, Wissenschaftspolitik und Gesellschaft miteinander interagieren und Schnittstellen zwischen den relevanten Akteur*innen gestaltet werden.
Dabei sollte auch an die einzelnen Wissenschaftler*innen gedacht werden. Wie können wir das System so gestalten, dass es den individuellen Wissenschaftler*innen eine verlässliche Beschäftigung mit wissenschaftlichen Fragen ermöglicht? Das ist eine herausfordernde Aufgabe und die aktuelle Debatte in Berlin zeigt, dass wir darauf noch keine verlässlichen Antworten gefunden haben. Aber die Auseinandersetzung mit diesen Fragen finde ich spannend und ich hoffe, dazu beitragen zu können, Lösungsansätze zu finden.