Zwischen den Zeilen – Wenn die „Vermögenserklärung“ zum stillen Protest wird
Sina Drews
Ich habe mich in meiner Forschung mit Vermögenserklärungen von als Jüd*innen verfolgten Christ*innen im Zeitraum von 1941–1943 beschäftigt. Dieser zeitliche und thematische Schwerpunkt kam zustande, da ich mich im Rahmen eines X-Student Research Group-Projektes mit den Taufen von Menschen auseinandergesetzt habe, die in diesen Jahren in der Messiaskapelle in Berlin durchgeführt wurden. Meine Recherche erfolgte u.a. zu der Geschichte und Bedeutung der Berliner Judenmission, den pseudo-legalen Grundlagen der Vermögenserklärungen und schließlich der Betrachtung von fünf solcher Erklärungen im Brandenburgischen Landeshauptarchiv (BLHA) in Potsdam. Auf den Dokumenten galt mein Interesse insbesondere den Informationen, welche zwischen den Zeilen etwas über den jeweiligen Menschen erzählen konnten. Ich suchte dort nach zusätzlich Hinzugefügtem – Kommentaren, Bitten, oder Informationen –, das sich z.B. auch in der Verweigerungen des Auflistens von Besitz äußern konnte. Ich wollte herausfinden, ob das Medium „Vermögenserklärung“ etwas über die Verfassenden verraten kann, das über die von den Nationalsozialisten geforderten Informationen hinausgeht. Die fünf je 16-seitigen Listen im BLHA habe ich im Original auf solche Inhalte durchsucht und bin in mehreren Fällen fündig geworden. Diese Funde waren gleichzeitig erleuchtend und warfen immer wieder neue Fragen auf: Wer waren die Verfassenden, was geschah mit ihnen nach dem Ausfüllen der Erklärung? Wer erhielt ihren Besitz? In meiner Recherche habe ich mich bisher insbesondere auf die Geschichte einer Frau fokussiert: Dr. Gertrud Löhmer. Auf ihrer Vermögenserklärung finden sich an einer Stelle vier lange Striche, mit denen sie sich weigerte, ihr Wohnungsinventar aufzulisten, da dieses – wie sie oben kommentierte – ihrer „Nichte versprochen“ sei. Auch gab sie an, Jüdin zu sein, notierte unter Konfession allerdings „evangel.“. Irene Löwenthal, die einen Monat später nach Gertrud Löhmer in der Messiaskapelle getauft und später als Jüdin verfolgt und deportiert wurde, gab ebenfalls ihre selbst gewählte Konfession an. Auch wenn aus heutiger Sicht meist nicht eindeutig rekonstruierbar ist, warum diese Menschen solche Angaben machten, zeigen bereits diese wenigen Fälle, dass eine medienwissenschaftliche Beschäftigung mit Vermögenserklärungen sinnvoll ist und dass es sich lohnt, genauer hinzusehen.