Forschungsinformationsplattform mit VIVO: Chancen und Herausforderungen
Wir geben einen Einblick in die Potentiale und Herausforderungen der Forschungsinformationsplattform mit VIVO für die Berlin University Alliance
13.01.2022
Die Wissenschaft wird im Zuge der digitalen Transformation zunehmend kooperativer, transparenter und multidisziplinärer (Scoping Report der Europäischen Kommission). Gleichzeitig hat die Digitalisierung „kontinuierlich zu einem wachsenden Volumen an wissenschaftlichem Material beigetragen“ (Empfehlung 2018/790 der Europäischen Kommission). Die offene Darstellung von Forschungsaktivitäten „einschließlich der Bereitstellung von Forschungsinformationen“ als Praktik offener Wissenschaft (Open Science) ist in der Novelle des Berliner Hochschulgesetzes von September 2021 verankert (BerlHG § 41). Um diesen sich verändernden Bedingungen Rechnung zu tragen, braucht es eine adäquate, zeitgemäße Infrastruktur, die es ermöglicht, Forschungsinformationen übersichtlich abzubilden, zu durchsuchen und zu visualisieren. Die Berlin University Alliance (BUA) setzt auf die Entwicklung einer föderierten Forschungsinformationsplattform mit der Open-Source-Software VIVO – der Forschungsinformationsplattform mit VIVO. Die Plattform verbindet die bestehenden Systeme der Berliner Organisationen und fungiert als übergreifende Orientierungsmöglichkeit für Forschungsinformationen innerhalb der Allianz. Welche Potentiale die Plattform eröffnet und welche Herausforderungen sich in der Entwicklungsphase des Projekts zeigen, lesen Sie in diesem Artikel.
Chancen
Forschungsinformationen verlinken
Informationen über Forschende, Forschungsprojekte und Publikationen (so genannte Forschungsinformationen) an den Berliner Universitäten sind online an unterschiedlichen Orten zu finden. Auf den Webseiten einzelner Institute oder des Forschungsinformationssystems etwa sind oft Listen mit Kontaktinformationen von Mitarbeitenden, Forschungsprojekten und Publikationen einsehbar. Diese sind jedoch häufig nicht miteinander verlinkt. Die digitale Visitenkarte von Forschenden zum Beispiel enthält nicht in allen Fällen auch Links zu aktuellen Forschungsaktivitäten oder Veröffentlichungen. Gleichzeitig finden wir Forschungsinformationen auf Projekt-Webseiten, bei Förderorganisationen, in ORCID-Profilen, in sozialen Netzwerken und vielerorts mehr. Eine Orientierungsmöglichkeit über die gesamte Universität oder über alle Organisationen der BUA hinweg gibt es bisher nicht.
Die Open-Source-Software VIVO nutzt Technologien des Semantic Web, um Informationen zu verlinken. Forschungsinformationen können so miteinander verknüpft werden, dass Nutzende von Information zu verwandter Information browsen können. Dadurch sind die Informationen innerhalb einer Webseite und über Suchmaschinen leichter auffindbar – denn Verlinkungen verbessern das Suchmaschinenranking.
Forschungsinformationen durchsuchen
Mit Hilfe der VIVO-Software können Daten aus bereits bestehenden Systemen automatisiert eingepflegt werden („Data Harvesting“). Auf diese Weise können Forschungsinformationen aus verschiedenen Quellen in einer Meta-Plattform aggregiert werden. Zusätzlich ermöglicht die Software eine Suchfunktion, sodass die Plattform als Suchmaschine bereits bestehende Systeme durchsucht. Da das Vorhaben darauf abzielt, eine Forschungsinformationsplattform (FIP) innerhalb der BUA zu entwickeln, sind die beschriebenen Funktionen umso effektiver: Es können nicht nur Informationen aus verschiedenen Quellen zu einer Organisation aggregiert und durchsucht werden, sondern über Freie Universität Berlin, Humboldt-Universität zu Berlin, Technische Universität Berlin und Charité – Universitätsmedizin Berlin hinweg.
Forschungsinformationen visualisieren
Die Open-Source-Software VIVO ermöglicht diverse Analysen und unmfassende Visualisierungswerkzeuge, die über die Möglichkeiten bestehender Forschungsinformationssysteme hinausgehen. Vor allem interdisziplinäre und interinstitutionelle Netzwerke, zum Beispiel von Exzellenzclustern, lassen sich so eindrucksvoll veranschaulichen. Funktionen wie die Visualisierung des Co-Autoren-Netzwerks (Beispiel) oder der Map of Science (Beispiel) erleichtern und bereichern die Außendarstellung, die Berichterstattung und das Forschungsmanagement.
Vernetzung und übergreifende Forschung fördern
Im Austausch mit den Forschungsabteilungen der Verbundpartnerinnen der BUA wurde deutlich, dass Forschende, die an unterschiedlichen Organisationen innerhalb der Allianz in derselben Disziplin oder in verwandten Disziplinen forschen, mitunter nicht miteinander vernetzt sind.
Die Browse- und Suchfunktionen der FIP mit VIVO erleichtert das Suchen und Finden relevanter Informationen und von Personen – auch für Forschende – und fördert so Vernetzung und Austausch. Dadurch eröffnet die FIP mit VIVO das Potential, verbundübergreifende Forschung innerhalb einer Disziplin genauso wie Forschung über verschiedene Disziplinen hinweg zu fördern.
Herausforderungen
Die „Ausgangsdatenlage“ in der Berlin University Alliance
Die Qualität der abgebildeten Daten ist ein wichtiger Erfolgsfaktor für die FIP mit VIVO: „Dieses Projekt steht und fällt mit der automatischen Einpflege und der Qualität der eingepflegten Daten“ betont Vivien Petras, Professorin und Direktorin am Institut für Bibliotheks- und Informationswissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin. Dazu gilt es für das Projekt-Team im ersten Schritt, sich einen Überblick über die bei den einzelnen Verbundpartnerinnen verfügbaren – und im nächsten Schritt nutzbaren – Daten zu verschaffen. Denn diese Übersicht existiert innerhalb der BUA bisher nicht. Die „Datenfrage“ stellt das Team vor verschiedene Herausforderungen.
Zunächst kommen an den einzelnen BUA-Organisationen unterschiedliche Forschungsinformationssysteme bzw. Software-Systeme zum Einsatz, um Daten zu erfassen und zu veröffentlichen. Dadurch ist eingangs zu klären, wie die Daten zugänglich gemacht und welche Daten für die FIP mit VIVO überhaupt genutzt werden können. Denn es zeigt sich, dass innerhalb der Systeme verschiedene Datenkategorien (zum Beispiel Publikationen oder Projekte) erfasst werden. Auch die Qualität und Tiefe der abgebildeten Daten ist innerhalb des Verbunds nicht einheitlich. Es gilt also, für die Plattform einen „gemeinsamen, nutzbaren Nenner“ herauszuarbeiten.
Transparenz in die vorhandenen – und nutzbaren – Daten zu bringen eröffnet sowohl für die Allianz als auch für die einzelnen Verbundpartnerinnen ein großes Potential. „Das Projekt birgt für die Organisationen die Chance, die Daten auf Vollständigkeit und Qualität zu überprüfen und entsprechend der Vorgaben des Kerndatensatz Forschung (KDSF) zu optimieren“, argumentiert Sybille Hinze, Leiterin des Center for Open and Responsible Research (CORe) an der BUA.
Datenschutz sicherstellen
Wenn es wie bei Forschungsinformationen um die Nutzung von personenbezogenen Daten geht, muss von Beginn an ein entsprechender Datenschutz mitgedacht werden. Die Umsetzung des Datenschutzes für die FIP mit VIVO stellt das Projekt-Team vor eine weitere entscheidende Aufgabe, denn für die Nutzung von personenbezogenen Daten gibt es innerhalb der BUA bisher kein abgestimmtes Konzept, das auf das Vorhaben übertragen werden könnte. Um die Konformität mit der Europäischen Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO) sicherzustellen und zu dokumentieren, ist deshalb in der ersten Projektphase ein Informationssicherheits- und Datenschutzkonzept für die Plattform zu entwickeln und umzusetzen.
Fazit
Das große Potential der FIP mit VIVO für die BUA steckt in der zeitgemäßen, dynamischen Abbildung von Forschungsinformationen, den übergreifenden Browse- und Suchfunktionen und den umfassenden Visualisierungsmöglichkeiten. Um dieses Potential zu nutzen, braucht es – zu einem gewissen Grad vollständige und qualitativ hochwertige – Daten. Dem gehen umfangreiche Recherchen, Analysen und Abstimmungsprozesse innerhalb der BUA voraus. Ziel für die aktuelle Entwicklungsphase des Projekts ist es daher, im Jahr 2022 eine aussagekräftige Auswahl an Forschungsinformationen in einer Demonstrator-Plattform zu veröffentlichen.
Das Projekt wird durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und das Land Berlin im Rahmen der Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder gefördert. Die aktuelle Phase des Projekts läuft bis Ende 2023.
Weitere Informationen
Bei Fragen oder Anregungen können Sie uns gerne kontaktieren:
- Projektleitung: Fadwa Alshawaf
- Community Management: Claudia Adam
- Systemadministration: Florian Kotschka
- Ontologien & IT-Entwicklung: Rolf Guescini