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Eine Forschungsreise zur ostdeutschen Frauenbewegung - Persönlicher Bericht von Kate Stanton

30.08.2024

Kate Stanton in Berlin

Kate Stanton in Berlin
Bildquelle: privat

In meinem letzten Schuljahr habe ich eine Hausarbeit über die Stasi geschrieben. Meine Deutschlehrerin, Frau Sydenham, brachte eines Tages die Stasiakten ihres Mannes mit in die Schule, und mit viel Geduld haben wir sie zusammen übersetzt, damit ich die Akte als historische Quelle in meiner Hausarbeit untersuchen konnte. Frau Sydenham wusste wahrscheinlich damals nicht, dass dies so einen fundamentalen Einfluss auf mein Leben haben würde.

Später habe ich Deutsch und Geschichte an der University of Sydney studiert und ein Auslandsjahr in Bamberg verbracht. Das war auch eine tolle Erfahrung, weil ich jeden Tag mein Deutsch verbessern konnte. In Bamberg habe ich alle meine Geschichtsfächer auf Deutsch gemacht und dabei habe ich den spezifischen Wortschatz gelernt, den man braucht, um akademische Bücher über Geschichte zu lesen. Am Ende meines Studiums habe ich meine Bachelorarbeit über den Historikerstreit geschrieben und ich war sehr glücklich, dass ich die ganze Debatte auf Deutsch verstehen konnte.

Danach wollte ich an der Oxford Universität studieren. Ich habe mich dafür beworben, eine Masterarbeit über die Reaktion der Wiedervereinigung in der ost-und-westdeutschen Presse zu schreiben. In Berlins Landesbibliothek habe ich viele Artikel über die ostdeutsche Frauenbewegung und Frauenproteste gelesen. Obwohl ich viel über die Wiedervereinigung in der Bibliothek in Oxford gelesen habe, habe ich gleich gemerkt, dass mehr in diesem Thema liegt, was ich erforschen möchte. Deswegen habe ich mich entschieden, meine Doktorarbeit über die ostdeutsche Frauenbewegung zu schreiben und hatte die Idee, auch ein Oral History Projekt zu unternehmen.

Ich bin sehr dankbar, dass mir die Oxford Berlin Research Partnership geholfen hat, eine Aufnahmevereinbarung am Zentrum für transdisziplinäre Geschlechterstudien (ZtG) der Humboldt-Universität zu Berlin zu bekommen. Mein Recherche-Aufenthalt war unerlässlich für meine Doktorarbeit. In Berlin hatte ich täglichen Zugang zu den Archiven und der Genderbibliothek am ZtG. Ich habe so viele Materialien gesammelt, worauf ich in Oxford nicht zugreifen kann. Ich hatte die Möglichkeit, einen Vortrag über meine Doktorarbeit an der Humboldt Universität und auch an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg zu halten. Und da Berlin so gut angebunden ist, habe ich auch Archive in Dresden und Jena besucht. Ich habe zehn Aktivistinnen interviewt und dadurch sehr viel gelernt. Jetzt bin ich wieder in Oxford und versuche mein Bestes, die Geschichte aus den schriftlichen Quellen der Archive mit den persönlichen Erfahrungen und Erkenntnissen der Aktivistinnen aus den Oral History Interviews zusammenzubinden.

Auf persönlicher Ebene habe ich meine Zeit in Berlin wunderbar gefunden. Ich habe bei einer Freundin gewohnt, die mit 15 eine Austauschschülerin an meiner Schule in Sydney war und wir seitdem befreundet sind. Sie ist auch an der HU und es war so schön, Zeit mit ihr während zahllosen Mittags-und-Kaffeepausen zu verbringen. Meine Familie kommt ursprünglich aus Libanon und in Berlin konnte ich so oft wie möglich das Essen meiner Kultur essen, sobald ich ein kleines bisschen Heimweh hatte. Nur in Berlin habe ich libanesisches oder syrisches Essen im Restaurant gegessen, das wie Zuhause schmeckt. Berlin hat mir sowohl viel Persönliches als auch Wissenschaftliches angeboten. Ich bin dem ZtG und der Oxford Berlin Research Partnership sehr dankbar.

Weitere Informationen

Kate R. Stanton  ist Doktorandin für die Geschichte ostdeutscher Frauen während der Wende an der Oxford University. Sie hat einen Bachelor of Art (Languages) (Honours) und einen Master of Teaching von der University of Sydney sowie einen Master of Studies in Modern European History vom Merton College, Oxford. Derzeit ist sie John Roberts Doctoral Scholar am Merton College, Oxford, wo sie unter der Betreuung von Professor Paul Betts und Dr. Katherine Lebow eine Oral History der ostdeutschen Frauenbewegung schreibt. Im akademischen Jahr 2023–2024 war sie Gastwissenschaftlerin am Zentrum für transdisziplinäre Geschlechterstudien der Humboldt-Universität zu Berlin.